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Presseberichte zur Seilbahn auf St. Pauli

Einige Monate ist es nun her, dass der Bürgerentscheid für eine Seilbahn negativ (für uns Gegner positiv) ausging. Am 24. August 2014 stimmten die Bürgerinnen und Bürger von Hamburg-Mitte darüber ab, ob eine Seilbahn von der Glacischaussee rüber zu den Musical-Zelten auf Steinwerder gebaut werden soll. Mit ganz viel Engagement von Anwohnerinnen und Anwohnern ist es gelungen, die Stimmberechtigten darüber aufzuklären, was hier eigentlich versucht wurde: Ein Konzernbegehren durch Missbrauch eines demokratischen Mitbestimmungsinstrumentes, dem Bürgerentscheid, durchzusetzen.

Entgegen der Meinung böser Zungen, die sich am liebsten anonym in irgendwelchen Kommentaren zu Wort melden, bestand die Gruppe der Seilbahn-Gegner aus einer kunterbunten Mischung. Engagierte Anwohnerinnen und Anwohner und ja, auch politische Gruppen zeigten klar, dass sie gegen die Seilbahn an dieser Stelle waren/ sind. Doch um es klar zustellen: Wir hatten kein großes Budget oder gar eine Agentur im Rücken, um über diese Seilbahn aufzuklären. Unsere ersten Flyer entstanden an heimischen Computern, wurden am hauseigenen Drucker vervielfältigt und per Hand geschnitten und verteilt. Wir stellten eine Podiumsdiskussion mit dem Bezirksamtsleiter auf die Beine, suchten das Gespräch mit allen Abstimmungsberechtigten zwischen St. Pauli und Billstedt und bis nach Wilhelmsburg. Und das alles, weil wir der festen Überzeugung sind, dass diese Seilbahn in dieser Form nicht sein darf. Umso größer ist die bis heute anhaltende Freude darüber, dass dieses von uns als Musical-Seilbahn titulierte Fahrgeschäft nicht gebaut wird.

Wie man weiß, ist nichts so alt wie die Zeitung von gestern. Damit die Berichte, die irgendwann nicht mehr online einzusehen sein werden, nicht verloren gehen, kommt hier eine nicht vollständige Sammlung über die Berichterstattung:

09. Februar 2014, Hamburger Abendblatt:
Befürworter und Gegner ringen um Seilbahn-Projekt
Mit der Seilbahn über die Elbe – Befürworter und Gegner des Projekts gehen verstärkt in die Offensive und sammelten am Wochenende fleißig Unterschriften.

Hamburg. Der Vorschlag erhitzt weiterhin die Gemüter: Gegner und Befürworter der geplanten Seilbahn, die von der Glacischaussee über die Elbe zu den Musicaltheatern auf Steinwerder führen soll, gehen verstärkt in die Offensive.

Die Bürgerinitiative „Hamburger Seilbahn – Ich bin dafür“ hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 4000 Unterschriften gesammelt. Für das von der Initiative geforderte Bürgerbegehren werden bis Ende März rund 6000 Unterschriften benötigt. Auch am Wochenende warb Joachim Stratenschulte, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Rickmer Rickmers, auf St. Pauli für das Vorhaben.

Doch auch die Gegner des Projekts machen nun verstärkt Mobil. So sammelten am Wochenende Mitglieder der SPD St.Pauli Süd Unterschriften gegen die geplante Seilbahn. „Wir wollen rund 1000 Unterschriften sammeln, um damit ein Zeichen zu setzen“, sagte Sabrina Hirche , SPD-Kandidatin für Bezirksversammlung. „Eine solche Seilbahn passt nicht nach St. Pauli, weil sie lediglich eine Touristenattraktion und kein öffentliches Verkehrsmittel ist.“

Anwohner befürchten demnach, dass die Veränderung St. Paulis zugunsten des Tourismus noch weiter zunehmen und das Hafenpanorama grundlegend verändert werde. „Die Menschen auf St. Pauli, die bereits Events wie Schlagermove, Hafengeburtstag oder Eurovisionsongcontest gastfreundlich beherbergen, wollen dieses Projekt nicht“, sagte Hirche. „Irgendwann ist auch mal gut.“

Auch die Bezirksversammlung Mitte steht dem geplanten Seilbahn-Vorhaben ablehnend gegenüber. Befürwortet wird der von Tourismusverband und Stage Entertainment geschmiedete Plan von der Handelskammer, der Interessengemeinschaft St. Pauli, der Jungen Union und weiteren Unterstützern des Bürgerbegehrens.

Die 1450 Meter lange Seilbahn soll in mindestens 80 Meter Höhe über die Elbe führen. Die Kosten von 40 Millionen Euro tragen das Musicalunternehmen Stage und der Seilbahnhersteller Doppelmayr – ebenso wie den Rückbau des zunächst auf zehn Jahre angelegten Projekts.

20. Juni 2014, ndr.de:
Bürgerentscheid über Seilbahn im August

In der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat am Donnerstagabend eine deutliche Mehrheit von SPD, Grünen, Linken und Piraten das Bürgerbegehren für eine Seilbahn im Stadtteil St. Pauli abgelehnt. Damit kommt es am 24. August im Bezirk zu einem Bürgerentscheid für oder gegen eine Seilbahn über die Elbe, wie NDR 90,3 berichtete. Dabei entscheidet dann unabhängig von der Wahlbeteiligung die Mehrheit.

Die Fronten und Mehrheitsverhältnisse waren dem Bericht zufolge schon vor der Abstimmung klar. Die CDU und die neu im Bezirksparlament vertretene AfD sind für die Seilbahn – die große Mehrheit mit 36 von 51 Stimmen dagegen. Die Einwände der Gegner: Die Seilbahn nütze nur dem Musicalbetreiber sowie dem Seilbahnhersteller und überlaste die jetzt schon stark beanspruchten Anwohner in den angrenzenden Vierteln. Zudem unterstellten die Grünen, Linken und Piraten der Initiative „Hamburger Seilbahn – Ich bin dafür!“ im Auftrag der Investoren zu handeln.

Diese Behauptung wies der Sprecher der Initiative, Thomas Margold, vor den Bezirksparlamentariern zurück. Er und seine Mitstreiter seien unabhängig und persönlich davon überzeugt, dass die Seilbahn Hamburg nütze. Jetzt können sich die Bürger im Bezirk Mitte im August für oder gegen die Seilbahn entscheiden.
Seit Jahren kontroverse Diskussionen

Die Pläne für eine Seilbahn-Verbindung über die Elbe gibt es schon seit 2011. Doch ebenso lange dauern auch schon die kontroversen Diskussionen. Der Startpunkt soll an der Glacischaussee sein. Ziel ist das „König der Löwen“-Musicalzelt und das benachbarte neue Theater, in dem von November an „Das Wunder von Bern“ gezeigt wird. Das Musicalunternehmen Stage Entertainment und Seilbahnbauer Doppelmayr wollen den Bau finanzieren und die Bahn auch betreiben. Der Bau der Seilbahn soll etwa 35 Millionen Euro kosten.

05. August 2014, Hamburger Abendblatt:
Werbung für Seilbahn mit falschem Versprechen?

In Wilhelmsburg heißt es auf Plakaten „Künftig schweben wir zum Dom“. Gondeln sind aber nur zwischen St. Pauli und Steinwerder geplant. Die SPD startet eine Aktion gegen das Projekt.

St. Pauli/Wilhelmsburg. Sollen die Bewohner von Hamburg-Mitte mit falschen Versprechungen dazu gebracht werden, beim Bürgerentscheid am 24. August für eine Seilbahn über die Elbe zu stimmen? In Wilhelmsburg sind Plakate aufgestellt worden, die eine solche Vermutung nahelegen. Über dem Bild einer Familie mit Migrationshintergrund prangt der Slogan: „Künftig schweben wir zum Dom“.

Das ärgert Anja Keuchel (SPD): „Die Initiative will die Wilhelmsburger ganz offensichtlich für dumm verkaufen“, sagt die Politikerin von der Elbinsel. „Die Seilbahn würde von Steinwerder abfahren. Das liegt vom Reiherstiegviertel aber drei Kilometer entfernt.“ Neben der versprochenen Zehn-Millionen-Spende und dem Verteilen von Seilbahn-Freikarten (wir berichteten) sei der Slogan eine weitere unlautere Methode, die Menschen im Bezirk zu beeinflussen. Auch Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bezirk Hamburg-Mitte, kritisiert das Vorgehen der Initiative: „Ein Bürgerbegehren ist immer eine sportliche Sache“, sagt er. „Wer die besseren Argumente hat, der überzeugt.“ Die Seilbahnbefürworter versuchten jedoch, die Menschen „mit Bestechung und falschen Versprechungen auf ihre Seite zu ziehen“. „Die Seilbahn ist kein Verkehrsmittel, sondern eine touristische Attraktion“, so Osterburg. „Die Bürger werden nicht ernst genommen, sondern veräppelt.“

Wolfgang Raike, der die Seilbahn-Pressearbeit macht, gibt zu: „Natürlich können die Wilhelmsburger nicht direkt zum Dom schweben.“ Aber sie könnten ja mit dem Bus nach Steinwerder fahren oder ihre Autos auf dem Parkplatz des Musicalkonzerns Stage Entertainment abstellen und dann in die Seilbahn steigen. Noch aber liege die Bushaltestelle knapp einen Kilometer von der geplanten Seilbahnstation entfernt, räumt er ein. Der HVV müsse also erst einmal nachbessern. Dennoch kann Raike die Aufregung nicht verstehen. „Kommunikation ist in der Werbung immer verkürzt.“ In ganz Hamburg-Mitte ständen Plakate mit verschiedenen Aussagen: „Ich will Hamburg von oben sehen“, heißt es da, „Wir fahren zum Festival“ oder „Unsere Radtour beginnt mit der Seilbahn“.

Wenn es nach den Initiatoren ginge, könnte die Seilbahn langfristig auch bis nach Wilhelmsburg verlängert werden, sagt Raike. Auch das stößt bei Anja Keuchel auf Kritik. „Den Menschen hier zu suggerieren, die Seilbahn sei ein neues Verkehrsmittel für sie, ist unlauter“, so Keuchel. „Sie würde über Hafengebiet führen, was verboten ist.“

Hintergrund für das Bestreben, eine Seilbahn zu bauen, sei vielmehr, dass das Musicalunternehmen Stage Entertainment ein eigenes Verkehrsmittel haben wolle. „Das Geld, das sie der Hadag zahlen müssen, weil die das Musicaltheater mit dem Schiff anfährt, wollen sie selber verdienen.“ Durch die Seilbahn und den Wegfall der Fahrgäste würde das städtische Unternehmen geschwächt – die Wilhelmsburger aber seien wegen der Fähranbindung ihres Stadtteils an einer starken Hadag interessiert. Unterdessen startet die SPD- Bezirksfraktion in Mitte eine eigene Kampagne unter dem Motto „Ein großes NEIN zur Seilbahn“: Auftakt ist an diesem Mittwoch um 18 Uhr auf dem Spielbudenplatz. Dort wollen dann Bezirksabgeordnete und Sabrina Hirche, Initiatorin der Initiative „Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe“, die Aktion vorstellen.

Bis zur endgültigen Entscheidung am 24. August, wollen die Gegner an Infoständen im Bezirk Mitte für ihr Anliegen werben. Außerdem sollen Plakate aufgestellt und Flyer verteilt werden. Die Kosten für die Kampagne liegen laut SPD-Fraktionschef Falko Droßmann bei rund 2000 Euro und werden aus Fraktionsmitteln finanziert: „Wir haben uns zu dieser Kampagne entschlossen, weil wir uns klar gegen die Seilbahn zwischen St. Pauli und Steinwerder aussprechen. Wir benötigen diesen Musicalzubringer nicht.“ Außerdem brauche St. Pauli nicht eine weitere „Pseudoattraktion“, die noch mehr Touristen anlocke, so Droßmann weiter. Am 24. August sind mehr als 200.000 Wahlberechtigte im Bezirk Mitte aufgerufen, über die Seilbahn zu entscheiden.

05. August 2014, shz.de:
Seilbahn-Planer wollen zehn Millionen Euro spenden

Zehn Millionen Euro für den Hamburger Stadtteil St. Pauli: Wollen die Investoren des Projekts über der Elbe die Stimmen der Hamburger Bürger kaufen?

Hamburg | Die einen sehen ein „unmoralisches Angebot“. Die anderen loben das soziale Engagement zum Wohle St. Paulis: Stage Entertainment und der österreichische Hersteller Doppelmayr haben dem Stadtteil eine Spende von bis zu zehn Millionen Euro versprochen, sollten sie ihre geplante Seilbahn über die Elbe bauen dürfen. Die Bürger im Bezirk Mitte entscheiden bis zum 25. August per direkter Demokratie darüber, ob es die Gondelverbindung von St. Pauli zu den Musicaltheatern auf Steinwerder geben wird.

Zeitgleich mit der Versendung der Abstimmungsunterlagen an etwa 200.000 Wahlbürger haben der Musicalkonzern Stage und Doppelmayr zugesagt, nicht nur die Baukosten von 35 Millionen Euro zu tragen, sondern auch 50 Cent pro Fahrgast für gemeinnützige Zwecke an den Bezirk zu überweisen. Für die geplante Betriebsdauer von zehn Jahren kommen die Seilbahn-Bauer auf eine Summe von rund zehn Millionen Euro. Der Betrag sei als Ausgleich für die Nutzung des öffentlichen Raumes durch das umstrittene Verkehrsmittel gedacht, so die spendablen Investoren. Der Bezirk Mitte weist das Angebot entschieden zurück. Eine Sprecherin sagte, die Annahme des Geldes würde gegen die „Rahmenrichtlinie über Sponsoring, Spenden und mäzenatische Schenkungen für die Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg“ verstoßen. Bezirksamtschef Andy Grote (SPD), prominentester politischer Gegner der Seilbahn: „Das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Verwaltungshandeln ist ein hohes Gut. Es darf nicht der geringste Anschein entstehen, dass man in Hamburg durch ausreichend hohe Spenden Verwaltungsentscheidungen zu seinen Gunsten herbeiführen kann.“

Dennoch lässt Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) die Millionenspende von seinen Juristen noch prüfen. Aus seiner Behörde heißt es, die Experten sähen bisher keinerlei Hinweise auf einen Bestechungsversuch. Das endgültige Ergebnis der Prüfung will Tschentscher jedoch erst heute vorlegen.

Die Seilbahn-Befürworter wehren sich gegen den Vorwurf, sich ein positives Bürgervotum erkaufen zu wollen. Doppelmayr-Sprecher Ekkehard Assmann: „Der Vorschlag steht in keiner Weise in einem zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang mit dem Bürgerentscheid.“ Stage Entertainment und Doppelmayr hätten das Spendenangebot bereits 2011 unterbreitet, als sie erstmals Pläne für eine Elbe-Bahn vorgelegt haben. Bei diesem Angebot bleibe es. Nun müsse der Bezirk entscheiden, ob er die Spende annehme oder nicht.

Der Ausgang des Bürgerentscheids gilt als offen. In Umfragen hatte es zuletzt eine knappe Mehrheit zugunsten der Seilbahn gegeben. Die Befürworter hoffen auf eine zusätzliche Touristenattraktion sowie auf ein alternatives Verkehrsmittel und verweisen auf die komplett private Finanzierung. Die Projektgegner befürchten eine Überlastung des bereits unter Besuchermassen ächzenden St. Pauli, Stadtplaner eine Verschandelung der Silhouette am Elbufer. Der SPD-Senat hatte die Entscheidung dem Bezirk überlassen, in dessen politischen Gremien sich keine Mehrheit für die Seilbahn gefunden hatte. Hinter der Pro-Bürgerinitiative stehen unter anderem die CDU-Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach und der ehemalige Chef des Hamburger Tourismusverbandes, Thomas Magold. Auch die einflussreiche Handelskammer rührt die Werbetrommel für die Gondelstrecke.

11. August 2014, Hamburger Abendblatt:
Seilbahn über die Elbe – Fluch oder Segen für Hamburg?

Vor dem Bürgerentscheid am 24. August: Das Abendblatt lud Sabrina Hirche, Gegnerin des Projekts, und Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach zum Streitgespräch an die Landungsbrücken.
St. Pauli. Nur noch 13 Tage, dann entscheiden die Bewohner des Bezirks Mitte über die umstrittene Seilbahn zwischen St. Pauli und den Musicaltheatern auf Steinwerder. Das Angebot des Seilbahnbauers Doppelmayr, mindestens zehn Millionen Euro für soziale Einrichtungen im Bezirk zu spenden, hat die Diskussion weiter angeheizt. Für den Bau kämpft die Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach (CDU) von der Initiative „Hamburger Seilbahn – Ich bin dafür“. Die Angestellte Sabrina Hirche, Initiatorin der Initiative „Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe“ will sie verhindern. Das Abendblatt lud beide zum Streitgespräch.
Hamburger Abendblatt: Die Investoren Doppelmayr und Stage Entertainment haben mit ihrer Ankündigung, einen Teil der Fahrgeldeinnahmen für den guten Zweck zur Verfügung zu stellen, für viel Diskussionsstoff gesorgt. Ist das ein unmoralisches Angebot?
Herlind Gundelach: Nein. Ich halte das für völlig unproblematisch, weil die Firma Doppelmayr bereits seit 2011 angekündigt hat, einen Teil der Einnahmen für soziale und kulturelle Zwecke im Bezirk Mitte zur Verfügung zu stellen. Sehen Sie es als eine Art Taxe an, die für jede Fahrt entrichtet wird.
Sabrina Hirche: Ich sehe den Zeitpunkt der Ankündigung dieser Zehn-Millionen-Spende schon als problematisch an. Dass dies durch mediale Berichterstattung zeitgleich mit der Versendung der Wahlunterlagen bekannt wurde, hat den Beigeschmack, dass es sich um Stimmenkauf handelt. Meiner Meinung nach wird hier versucht, auf die Entscheidung der Menschen einzuwirken, und das finde ich nicht redlich.
Gundelach: Dass Firmen, die ein großes Projekt umsetzen wollen, auch etwas für einen guten Zweck an die Bürger geben, ist gang und gäbe. Und dass das Geld nur fließen kann, wenn die Seilbahn gebaut wird, ist doch nur logisch, da es an den Verkauf der Tickets gebunden ist. Ich sehe daher auch keine Beeinflussung der Menschen im Bezirk.

St. Pauli sei kein Disneyland, sagen die Gegner der Seilbahn. Welche negativen Auswirkungen befürchten Sie, wenn das Projekt umgesetzt wird?
Hirche: Den St. Paulianern wird schon ziemlich viel zugemutet. Auf dem Kiez findet bereits ein Großteil der Großveranstaltungen in Hamburg statt. Mit der Seilbahn käme ein Dauer-Event hinzu und zwar an eine Stelle, die ohnehin verkehrstechnisch schon stark belastet ist. Die Einstiegshaltestelle ist an der Glacischaussee geplant, die bereits an mehreren Tagen während des Doms gesperrt und als Parkplatz genutzt wird, weil die Besucher eben nicht mit Bus und Bahn anreisen. Ich denke, dass auch die Seilbahnnutzer mit dem Auto kommen werden und dann an dieser Stelle ein Verkehrsinfarkt droht.
Gundelach: Ich glaube nicht, dass mehr Touristen nur wegen einer Seilbahn nach Hamburg kommen und deshalb ist das keine zusätzliche Belastung für den Stadtteil. Auch ein Verkehrsinfarkt ist nicht zu befürchten. Untersuchungen zeigen, dass der Autoverkehr in den Innenstädten eher abgenommen hat. Ich denke, die meisten Seilbahnnutzer werden mit Bus und Bahn anreisen.
Hirche: Da stimme ich Ihnen zu, ich glaube auch nicht, dass Touristen nur wegen der Seilbahn nach Hamburg kommen werden. Aber die zusätzlichen 1800 Besucher, die durch das zweite Musicaltheater (Anm. d. Red.: Eröffnung im November) auf Steinwerder Abend für Abend angezogen werden, müssen ebenfalls befördert werden. Für eben diese insgesamt knapp 4000 Musicalbesucher soll die Seilbahn doch hauptsächlich gebaut werden.
Gundelach: Aber das ist doch kein Argument, um gegen die Seilbahn zu sein. Dann hätten Sie das zweite Musicaltheater verhindern müssen. Richtig ist, die zusätzlichen Musicalbesucher sind ab Herbst da und werden über die Elbe transportiert werden müssen, und viele gehen vermutlich vorher oder nachher auch auf den Kiez, mit oder ohne Seilbahn.
Hirche: Die Leute könnten doch weiter mit den Hadag-Fähren über die Elbe transportiert werden. Der Hadag entstehen durch die Tatsache, dass Besucher die Seilbahn und nicht mehr die Fähren nutzen, Verluste.
Gundelach: Das stimmt so nicht. Der Hadag entgehen höchstens Mehreinnahmen, weil ein Teil der zusätzlich rund 1800 Besucher mit der Seilbahn fahren wird. Aber ein Großteil wird immer noch mit der Fähre übersetzen oder nur für eine Richtung die Seilbahn nehmen.

Was ist eigentlich der Sinn der Seilbahn?
Gundelach: Im ersten Schritt ist sie im wesentlichen ein Musicalzubringer, weil hier Endstation ist. Aber auch Touristen und die Hamburger werden die Seilbahn nutzen, um den Blick über den Hafen zu genießen. Doch die Grundidee war ja, dieses Verkehrsmittel bis nach Wilhelmsburg weiterzuführen.
Hirche: Frau Gundelach, wie kommen Sie überhaupt darauf, dass es eine Verlängerung bis nach Wilhelmsburg geben wird? Dieses Thema ist doch vom Tisch. Denn es ist ganz klar entschieden worden, dass wegen des Hafenentwicklungsgesetzes keine Seilbahn bis Wilhelmsburg weitergeführt werden darf.
Gundelach: Das stimmt so nicht. Schauen Sie sich die beiden Musicaltheater an. Das ist auch keine hafenkonforme Nutzung, und es gab einen großen Aufschrei vor dem Bau. Aber es wurde eine Sondergenehmigung erteilt. Das wäre auch für eine Seilbahn nach Wilhelmsburg möglich, es darf nur der Hafenbetrieb nicht gestört werden. Der Bau bis Steinwerder ist nur der erste Schritt, und ich halte an einer möglichen Verlängerung bis Wilhelmsburg fest.

Wie wirkt sich der Bau der Seilbahn aus städtebaulicher Sicht aus?
Hirche: Ein riesiger Pylon soll mitten in den Alten Elbpark gebaut werden, der auf Höhe der Tanzenden Türme abschließt und das Hafenpanorama massiv verändert. Sowohl an der Startstelle als auch im Park müssen viele Bäume weichen. Diese Grünanlage ist für die Neustädter und St. Paulianer ein Naherholungsgebiet, das ihnen durch den Bau der Seilbahn genommen werden würde.
Gundelach: Ich sehe den Pylon nicht als Problem an, da dieser sehr filigran ist und am Rande des Parks steht. Als ansprechendes Naherholungsgebiet würde ich den Alten Elbpark nicht bezeichnen. Ich sehe hier überwiegend Menschen, die ihr Bier trinken oder ihren Hund spazieren führen. Dieser Park braucht ein Gesamtkonzept, um wieder attraktiv zu werden und in dieses Gesamtkonzept kann der Bau der Seilbahn gut integriert werden.
Hirche: Ich finde es unglaublich, mit welcher Arroganz die Seilbahn-Befürworter über den Alten Elbpark sprechen. Ich bin hier aufgewachsen, habe dort Fahrradfahren gelernt und im Winter gerodelt. Für die Menschen hier ist er durchaus ein Naherholungsgebiet. Wenn Ihnen das nicht bekannt ist, liegt es wohl daran, dass Sie nicht mit den Menschen gesprochen haben, die in der Umgebung des Alten Elbparks leben und diesen auch nutzen. Und zwar nicht zum Biertrinken. Die Menschen auf St.Pauli und in der Neustadt und in der Nachbarschaft des Elbparks sind gebeutelt genug. Denn aus den gläsernen Gondeln der Seilbahn kann man bei ihnen in die Wohnungen schauen. Das erinnert mich doch sehr an einen Zoo.
Gundelach: Die Streckenführung ist so ausgelegt, dass man keinem in die Wohnung schauen kann. In einer Großstadt führt man keine Seilbahn an Balkonen vorbei.

Welches sind Ihre wichtigsten Argumente für beziehungsweise gegen eine Seilbahn?
Hirche: Die Seilbahn zerstört ein wichtiges Naherholungsgebiet und historische Stadtgrenzen. Die Einstiegshaltestelle soll an eine verkehrstechnisch zu belastete Stelle und erzeugt einen Verkehrsinfarkt. Wir Bürger haben keinen Nutzen von dieser Musical-Seilbahn, die kein Verkehrsmittel nach Wilhelmsburg ist.
Gundelach: Es ist ein modernes, leises und besonders umweltfreundliches Verkehrsmittel, mit dem binnen einer Stunde bis zu 3000 Menschen über die Elbe transportiert werden können. Die Seilbahn ist eine Chance für Hamburg als Transportmittel der Zukunft.

21. August 2014, Kieler Nachrichten und Hannoversche Allgemeine:
Schweben und schweben lassen

Weltstädte wie New York, London, Barcelona, São Paulo oder Singapur sind eine Liga für sich. Denn diese Metropolen haben, wovon in Kiel noch geträumt wird: eine Seilbahn. Ob Hamburg künftig auch in dieser Liga spielt, soll sich dagegen schon am Sonntag entscheiden. Dann stimmen die Bürger über das 35-Millionen-Euro-Projekt ab.

Hamburg. Die ehrgeizigen Pläne des Musicalbetreibers Stage Entertainment („Der König der Löwen“, „Das Phantom der Oper“, „Mamma Mia!“) und dem österreichischen Seilbahn-Hersteller Doppelmayr aus Bregenz sehen eine Verbindung vor, die in 80 Metern Höhe über den Hafen führt. Vom 92 Meter hohen Nordponton an der Glacischaussee auf St. Pauli soll es zu den Musical-Theatern am Südufer. gehen Eine Verlängerung der Strecke bis Wilhelmsburg und zu den Kreuzfahrtterminals wäre möglich, ist aber derzeit durch das Hafenentwicklungsgesetz unterbunden.

Am Sonntag sollen rund 200000 Wahlberechtigte des Bezirks Hamburg-Mitte über den 35 Millionen Euro teuren Bau abstimmen. Die zuständige Bezirksversammlung hatte das luftige Projekt im vergangenen Jahr zu den Akten gelegt, mehr als 14000 Seilbahnfans aber brachten mit ihrer Unterschrift ein Bürgerbegehren pro Gondel auf den Weg. Und die Befürworter im Seilbahn-Wahlkampf (Motto: „Künftig schweben wir zum Dom“) führen gute Argumente ins Feld: Die Verbindung könnte das Verkehrsnetz entlasten – wobei es vorrangig um die Fähren geht, die bislang die Musical-Besucher zu den Veranstaltungen bringen. Die Seilbahn fahre mit Elektrostrom und gelte als eines der sichersten Verkehrsmittel. Sie würde Touristen anlocken und den „Sprung über die Elbe“ für 3000 Fahrgäste pro Stunde ermöglichen. Vor allem aber, und das ist das wichtigste Argument der Pro-Gondler: Die Bahn würde den Steuerzahler nichts kosten. Denn das Projekt ist rein privatwirtschaftlich finanziert und – so das Versprechen – würde nach zehn Jahren wieder demontiert.

Bürgerschaftsabgeordnete machen eine andere Rechnung auf: Eine runde Million Euro könnten die Hamburger Verkehrsbetriebe pro Jahr durch die neue Konkurrenz verlieren – am Ende würde doch der Steuerzahler belastet. Zudem koste eine einfache Fahrt sechs Euro – zu teuer.

„Kein Disneyland auf St. Pauli“, wettern die Gegner. Die Gründerin der Initiative „Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe“, Kiez-Anrainerin Sabrina Hirche (32) sagt: „Ich hatte sofort ein Bild von riesigen Stahlpfeilern im Kopf, die ein Seil über unsere geliebte Elbe spannen und das wunderbare Hafenpanorama zerstören würden.“ Auch die Grünen sind dagegen: Zu teuer, zu hässlich – die Seilbahn sei lediglich ein „Musical-Zubringer“. St. Pauli könnte, so meinen viele zwischen Hafenstraße und Millerntor, weiter kommerzialisiert werden.

Hauptnutznießer sei nun einmal Musical-Multi Stage Entertainment, heißt es von den Kritikern. Abend für Abend zieht der Disney-Evergreen „König der Löwen“ mehr als 2000 Besucher an. Das neue Musical „Das Wunder von Bern“ könnte zusätzliche 1800 Gäste nach Steinwerder locken. Auch deshalb zeigen sich Kommunalpolitiker wie SPD-Mann Andy Grote reserviert. St. Pauli, so der 46-Jährige Bezirksamtschef, sei kein Freizeitpark, sondern Heimat.

Aber ist die Suche nach Vergnügen nicht das Wesen St. Paulis? Travestiekünstler Olivia Jones, der seit vielen Jahren im Kiez lebt, outet sich als – nachdenklicher – Befürworter: „Unterm Strich scheint für mich das Projekt immer noch mehr Chance als Risiko zu sein, vor allem, weil es bestimmt nicht das Klientel nach St. Pauli lockt, vor dem sich Anwohner fürchten. Wodka-Zapfhähne an Bord der Gondeln sind jedenfalls, soweit ich weiß, noch nicht geplant.“ Und mit dem Unternehmer Albert Darboven haben die Befürworter einen Kaufmann in den Reihen, der in bester hanseatischer Tradition argumentiert. Man dürfe sich Neuem nicht verschließen. Gerade in Hamburg „sollten die Menschen wissen, dass man an und wann zu neuen Ufern aufbrechen muss.“

21. August 2014, Hamburger Abendblatt:
Das sagen Befürworter und Gegner der Seilbahn
Die Frau hinter der Gegen-Initiative: Sabrina Hirche

„Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe.“ So lautet das Motto der Initiative, die Sabrina Hirche mit ins Leben gerufen hat. Als die St. Paulianerin 2011 zum ersten Mal erfuhr, dass es Pläne für eine Seilbahn über die Elbe gibt, war sie „entsetzt. Ich hatte sofort ein Bild von riesigen Stahlpfeilern im Kopf, die ein Seil über unsere geliebte Elbe spannen und das wunderbare Hafenpanorama zerstören würden.“ Die 32-Jährige, die ihre Kindheit zwischen Michel und Elbe verbrachte, hat sich intensiv mit der Seilbahn befasst und wurde zur engagierten Gegnerin. Sie warnt vor einem Verkehrsinfarkt für den schon von Veranstaltungen stark strapazierten Kiez.

Außerdem befürchtet die Angestellte im öffentlichen Dienst, dass der Alte Elbpark, der für sie die historische Stadtgrenze und Naherholungsgebiet des Viertels darstellt, stark in Mitleidenschaft gezogen werden würde. Viel Geld hat Sabrina Hirche für ihre Kampagne nicht zur Verfügung, es gibt keinen großzügigen Sponsor wie bei den Befürwortern. Aber trotzdem hat sie Flyer drucken lassen, macht auf Facebook gegen die Seilbahn mobil und versucht auf Wochenmärkten die Bürger von ihrer Meinung zu überzeugen. Immer mit dem Ziel, dass sich die Menschen dagegen entscheiden.

21. August 2014, stern.de:
Geschenkt ist noch zu teuer
Ein Musicalbetreiber will Hamburg eine Seilbahn spendieren. Doch das ist kein Geschenk an die Stadt, sondern eiskaltes Business. Ein Lehrstück darüber, wie Investoren sich Stadtentwicklung kaufen.

Lautlos gleiten die strahlend-weißen Gondeln in 80 Metern Höhe über die Elbe. Bis zu 3000 Menschen pro Stunde können sie von den Hamburger Landungsbrücken ans andere Elbufer bringen. So zumindest planen der Musicalkonzern Stage Entertainment und der österreichische Seilbahnbauer Doppelmayr die Zukunft in Hamburg. Dafür wollen die Firmen rund 35 Millionen Euro investieren und benötigen keinen Cent Steuergeld – ein großes Geschenk an die Stadt, wie es scheint. „Sieben Minuten pures Glück“, verspricht die Reklamebroschüre den Besuchern.

Doch ein ehrliches Geschenk ist selbstlos. An einem Präsent bereichert man sich nicht persönlich – und tut man dies doch, dann ist es kein Geschenk. Sondern Mittel zum Zweck. So ist die Seilbahn kein öffentliches Verkehrsmittel, sondern in erster Linie ein Transportmittel für die Touristenschwärme, die auf das andere Elbufer zu den Musicalspielorten gegondelt werden. Und deshalb wollen weder die Bezirksregierung noch Anwohner die Seilbahn. Warum auch? Wer den Sprung über die Elbe wagt, nimmt die Barkasse. Und den St.Paulianern hängt der Touri-Rummel inzwischen schwer zum Hals heraus.
Zur Kulisse abgestempelt

Seit Jahren verkommt der Stadtteil zu einem aufgehübschten Disneyland-Kiez. Die Straßen und Häuser werden zu Kulissen, die Bewohner zu Statisten für touristische Großevents. Da pilgern rund eine halbe Million, in die Jahre gekommener, Plastiksonnenblumen-Mädchen zum Schlagermove, knattern Zahnärzte aus ganz Deutschland auf teuren Motorrädern durch die engen Häuserschluchten bei den Harley-Days und Menschenmassen schwärmen zu den Cruise-Days, um Schiffe zu begaffen. Dazwischen schleppen sich Rentnergruppen einer aufgemotzten Olivia Jones (Oder jemanden, der so ähnlich aussieht) hinterher oder wanken besoffene Fast-Bräute und Demnächst-Bräutigame mit ihren strikt geschlechter-getrennten Freundeskreisen in albernen T-Shirts, auf denen mitunter Sinnsprüche zu lesen sind: „Andreas hat seine Endgegnerin gefunden.“

Auch wenn St. Pauli von dem Bau besonders betroffen wäre, ärgert es viele Hamburger, dass sie nicht mit abstimmen dürfen. Grund dafür is ein politischer Kniff, allerdings nicht durch die Stage Entertainment, sondern durch den Hamburger SPD-Senat. Dort wurde das Problem Seilbahn an den Bezirk gegeben – und eben genau dort wird jetzt auch per Bürgerentscheid abgestimmt.

Missbrauch der Demokratie

Nun sollen noch mehr Fun und Action an die Elbe kommen. Die Musicalveranstalter haben ein Geschäft gewittert. Und greifen mit aller Macht zu. Die Geschichte von Hamburgs Seilbahn ist die eines privatwirtschaftlichen Konzerns, der sich die Stadt so gestaltet, wie sie ihm passt. Das heißt – wie so oft – profitorientiert. Gewinnmaximiert. Stadtplanerische Hoheit für 35 Millionen Euro. Und wenn die Anwohner und die Politik im Bezirk nicht mitspielen, dann schiebt das Unternehmen eben auch noch den notwendigen Bürgerentscheid an. Damit missbraucht die Stage Entertainment ein basisdemokratisches Mittel für den Bau eines lukrativen Geschäftsmodells. Dafür braucht die Firma nur ein dickes Scheckheft für das Marketing und genügend Freikarten. Das ist beängstigend – und unfassbar dreist.

Zunächst scheinen die Initiative für die Seilbahn und die dahinter stehenden Unternehmen sehr auskunftsfreudig. Sie spielen, ohne müde zu werden, die gleiche Platte: Keine Steuergelder werden für Bau und Betrieb der Seilbahn gebraucht. Umweltfreundlich ist die Bahn auch. Und ein tolles Verkehrsmittel. Wortkarg allerdings werden alle Beteiligten, wenn es um die Marketingausgaben geht. Denn die Seilbahn wurde politisch schon mehrfach geblockt – nun sollte ein Bürgerentscheid her. Doch um den überhaupt aufsetzen zu können, brauchte es Unterschriften. Und die wurden fleißig gesammelt, gerne auch fernab der betroffenen Stadtteile. Dort wurde das Kreuz an der richtige Stelle mit einer Freikarte belohnt – für eine Fahrt in einer Seilbahn, über deren Bau noch nicht einmal entschieden ist. Für die Pro-Seilbahn-Initiative ist das kein Problem: Man habe die Freikarten nicht dafür genutzt, um Unterschriften zu gewinnen – aber man habe nach Unterschrift gerne Gondelticket verteilt, so Herlind Gundelach, eine der Initiatoren.
Kein Geld ohne Seilbahn

Dazu kommen Veranstaltungen, Plakate, Flyer – die ganz große Werbetrommel. Als besonderes Extra stellten die beiden Firmen auch noch einen Scheck über 10 Millionen Euro in Aussicht, der für soziale Projekte ausgegeben werden sollte. Natürlich würde es das Geld erst geben, wenn der Bürgerentscheid erfolgreich sei und die Seilbahn auch wirklich gebaut wird. Inzwischen wird es den Scheck wohl gar nicht mehr geben, denn die Spende für Bedürftige an den Ausgang des Bürgerentscheids zu koppeln, fasste der Bezirk als Bestechung auf.

Und fragt man die Initiative für die Seilbahn oder die Stage Entertainment oder Doppelmayr, ob sich die Bahn rechnet, schweigen alle. Doch genau davon ist auszugehen: Bislang werden die Musicalzuschauer mit Barkassen ans gegenüberliegende Elbufer geschippert. Das kostet den Musicalveranstalter Geld – warum also nicht ein Event aus der Überfahrt machen und selber daran verdienen? Da das Unternehmen selbst keinerlei Zahlen rausrücken möchte, hilft nur grobes Überschlagen: Wenn im November neben dem „König der Löwen“ auch das zweite Musical seinen Betrieb aufnimmt, erwartet die Stage bis zu 1,4 Millionen Zuschauer im Jahr. Eine einfache Fahrt soll rund sechs Euro kosten. Selbst wenn nur jeder zweite Musicalgast die Seilbahn nutzen würde und es Rabatte bei gebuchter Hin- und Rückfahrt gibt (geschätzte Gesamtkosten: 10 Euro) und von den jährlich rund sechs Millionen Touristen in der Stadt nur jeder Zehnte in die Gondel einsteigen würde, läge der Umsatz – ohne einen einzigen Hamburger Pendler transportiert zu haben – locker bei 13 Millionen Euro. Pro Jahr. Tendenz steigend. Eine Investition von 35 Millionen Euro hätte sich da fix rentiert.

Seilbahn als Sieger

Schlimm, wenn die Seilbahn kommt. Fatal, wenn sich das Modell des eingekauften Bürgerentscheids durchsetzt. Firmen mit unsinnigen Veränderungswünschen oder Geschäftsideen könnten sich künftig mit ihrem großen Werbebudget schlichtweg den Stimmenrückhalt aus der Bevölkerung kaufen. Nicht die Meinung des Volkes oder betroffener Bürger wäre entscheidend, sondern die größtmögliche Mobilisierung der Schwarmintelligenz. Dann wäre ein Mechanismus wie der Bürgerentscheid, der Menschen eine Mitbestimmung einräumt, zu einem Profit-Vehikel verkommen, um wirtschaftliche Interessen durchzudrücken.

In Hamburg scheint das System erfolgreich zu sein: Gut informierte Kreise gehen inzwischen stark von einem Sieg der Seilbahnbauer aus. Der Bürgerentscheid endet am 24. August.

22. August 2014, Lübecker Nachrichten:
Eine Seilbahn für Hamburg?

Die Bürger von Hamburg-Mitte entscheiden, ob Musical-Besucher in Zukunft in gläsernen Gondeln über die Elbe fahren sollen.
Hamburg. Joachim Stratenschulte (64) blickt nach oben in die Takelage der „Rickmer Rickmers“. Er ist auf dem Museumsschiff an den Hamburger Landungsbrücken Geschäftsführer, und wenn es nach ihm geht, dann wird in wenigen Jahren eine Seilbahn von St. Pauli über sein Schiff die Elbe in Richtung Steinwerder überqueren, zu dem Musical-Zelt vom „König der Löwen“ und dem neuen Theater daneben, wo demnächst „Das Wunder von Bern“ Premiere feiern wird. „Ich glaube an das Prinzip Seilbahn“, sagt Stratenschulte. „Ich glaube, dass das ein total tolles Verkehrsmittel ist.“

Stratenschulte ist Sozialdemokrat. Mit seiner Seilbahn-Euphorie ist er in der SPD von St. Pauli auf verlorenem Posten.

Die Bezirksversammlung hat das Projekt abgelehnt. Daraufhin brachte Stratenschulte mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Herlind Gundelach und dem ehemaligen Tourismusverbandschef Thomas Magold ein Bürgerbegehren auf den Weg. Es war erfolgreich, und deshalb stimmen die Bürger des Bezirks Mitte jetzt über das Projekt ab. Eine Seilbahn, schwärmt Stratenschulte, sei umweltfreundlich, schnell gebaut, preiswert, quasi geräuschlos, und verbrauche kaum Fläche.

Von einer Anhöhe im Alten Elbpark blickt Otto von Bismarck elbabwärts, riesengroß, grob und klobig. Weiter unten zeigt Sabrina Hirche (32) die Stätten ihrer Kindheit: „Hier war das Hauptquartier meiner Bande.“ Sie ist am und in diesem Park groß geworden, ist hier gerodelt und hat hier Fahrrad fahren gelernt. Ganz am Rand, dort, wo einige Birken dekorativ die Zweige hängen lassen, soll der mehr als 100 Meter hohe Pylon der Seilbahn hinkommen. Er wird Bismarck weit überragen. „Sie können sich vorstellen, was passiert, wenn ständig Gondeln mit einem sirrenden Geräusch kommen“, sagt sie. Sabrina Hirche ist eine Wortführerin der Gegner. Auch sie ist Sozialdemokratin. „Joachim und ich verstehen uns gut“, sagt sie über Stratenschulte. Aber in dieser Sache stehen sie einander unversöhnlich gegenüber. Sabrina Hirche fürchtet um ihren Park, um ihren Stadtteil, um das Hafenpanorama ihrer Stadt, und sie sagt einen Verkehrsinfarkt in St. Pauli voraus. Sie nennt das Bürgerbegehren ein „Konzernbegehren“. „Es wurden Freikarten verteilt für etwas, was es noch gar nicht gibt“, sagt sie. „Das ist unlauter. Wenn die Stage Entertainment damit durchkommt, wird das Schule machen.“

Auch um die Reeperbahn ist die Seilbahn Diskussionsthema. „Wir sind nicht in den Bergen, wir sind in Hamburg“, sagt Rosi Burkhard (42), die im „Goldenen Handschuh“ hinterm Tresen steht, und einer ihrer Gäste ergänzt: „Wir sind Norddeutsche, wir lieben das Wasser. Was soll da ’ne Seilbahn?“ Rolf Zengerling (53), der einen Steinwurf entfernt an einem Außentisch des „May“ sitzt, sieht es anders:

„Mit der Seilbahn über die Elbe fahren, das ist modern, das ist Abenteuer, das ist der Kick! Jede Stadt braucht so etwas.“ Er war nicht immer dieser Meinung: „Ganz zu Anfang war ich dagegen, weil ich mich nur mit Leuten unterhalten habe, die dagegen waren.“

Joachim Stratenschulte verwahrt sich gegen den Vorwurf, er handle für die Investoren. „Wir drei haben mit den beteiligten Unternehmen nichts zu tun“, sagt er. „Mir hat noch nicht mal jemand eine Tasse Kaffee ausgegeben.“ Dass es ein kommerzielles Projekt ist, stört ihn nicht. „Klar ist das kein öffentliches Nahverkehrsmittel. Kein Mensch behauptet, dass das nicht ein kommerzielles Unternehmen wäre. Aber wo ist denn da die Kritik? Es wird ja so getan, als wäre eine kommerzielle Seilbahn Teufelszeug.“

Er vermutet, dass die Bürger mehrheitlich für das Projekt stimmen werden. Er weiß aber, dass die Gegner sich nicht geschlagen geben werden. Eine Sammelklage sei nicht auszuschließen, sagt Sabrina Hirche. „Der letzte Akt wäre, sich an die Bäume zu ketten.“

27. August 2014, st.pauli-news.de:
Seilbahn-Gegner feiern auf dem Spielbudenplatz

Auf dem Kiez wird gefeiert: Keine Gondeln über der Elbe! Knapp zwei Drittel der Wahlteilnehmer erteilen der geplanten Seilbahn eine Absage.

Gestern hatten wir es ja an dieser Stelle schon verkündet, jetzt ist es offiziell: Nix Seilbahn! Zwei Drittel sprechen sich gegen das Projekt aus. Laut offiziellem Endergebnis, das am Nachmittag vorgestellt wurde, stimmten lediglich 18.312 der Vorlage des Bürgerbegehrens zu. 31.769 hatten mit NEIN abgestimmt. Das entspricht 63,4 Prozent.

Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) sprach bei der Pressekonferenz am Mittwochnachmittag von einem “klaren Ergebnis”. “Das Votum ist bindend für den Bezirk, aber auch für den Senat.” Die Seilbahn in dieser Form – von St. Pauli zu den Musicalzelten auf der anderen Elbseite – sei damit endgültig vom Tisch. Die Freude über das gescheiterte Bürgerbegehren konnte der Bezirkschef nur schwer verbergen. “Dass ich eine gewisse Freude verspüre, ist sicherlich nachvollziehbar. Ich halte das Ergebnis für eine richtige und gute Entscheidung.” Das Ergebnis sei aber kein Votum gegen den Tourismus, sondern eines für den Erhalt der Einzigartigkeit dieser Stadt.

Etwas bedröppelt lauschte Thomas Magold, einer der Hauptinitiatoren des Bürgerbegehrens, den Worten des Bezirksamtsleiters. “Wir akzeptieren selbstverständlich das Votum der Wähler in Hamburg-Mitte, sind aber nach wie vor überzeugt, dass die Hansestadt damit vorerst die große Chance verpasst, ein innovatives Verkehrsmittel völlig ohne Kosten oder Risiko für die Stadt zu erproben”, sagte er im Anschluss. “Wir haben uns sehr engagiert, aber die Angst vor Veränderung ist bei vielen Bürgern größer als die Lust, etwas Neues zu probieren”, sagte Magold. Das habe die Politik in Mitte aufgegriffen und mit ihrer Diffamierungskampagne befördert. “Die Stage hätte einen fairen Umgang verdient, den hat das Unternehmen aber nicht bekommen.”

Das sieht FDP-Wirtschaftsexperte Thomas-Sönke Kluth ähnlich: “Eine Seilbahn über die Elbe wäre nicht nur ein touristisches Highlight sondern auch eine sinnvolle Ergänzung des ÖPNV.”
“Die Menschen lassen sich nicht kaufen”

Auf dem Spielbudenplatz feierten die Gegner der Seilbahn am Nachmittag euphorisch das Ergebnis – obwohl der Jubel für die Kameras im ersten Moment noch etwas verhalten wirkt, als könnten sie ihr Glück immer noch kaum fassen. “Ich habe nicht gedacht, dass es so ausgeht”, sagt Sabrina Hirche, Initiatorin der Initiative Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe. Bis zuletzt war sie unsicher, wie das Votum der Menschen ausfallen würde. Den Sekt habe sie daher eben erst am Kiosk gekauft. “Ich bin völlig überwältigt.”

“Wir haben gezeigt, dass David gegen Goliath gewinnen kann”, sagt Theresa Jakob von der Initiative Keine Seilbahn. “Es ist ein doppelter Sieg, für die Bürger von St. Pauli und die Demokratie insgesamt.” Jubelnd liegen sie sich in den Armen, auch Vertreter von SPD, Grüne und Piraten sind dabei und klatschen sich gegenseitig ab. Ein Sektkorken fliegt über den Platz. “Das klare Ergebnis zeigt, dass ein Bürgerbegehren von keiner Firma gekauft werden kann”, sagt Michael Osterburg von den Grünen. “Die Bürger haben sich durchgesetzt und für sich und ihren Stadtteil entschieden.” Andreas Gerhold von den Piraten ergänzt: “Die Menschen in Mitte haben der Konzernlobby eine klare Absage erteilt.”

“Hamburgs Bürger Haben sich weder täuschen noch kaufen lassen”, sagt Sabrina strahlend. “Ich bin wahnsinnig glücklich. Jetzt feiern wir erstmal auf unserem Dorfplatz.” Käse und Wein stehen schon bereit. Bei Samba-Klängen, die über den Platz hallen, hält auch Magdalena Eberhard die Füße nicht mehr still. Seit vier Jahren habe sie gegen die Seilbahn gekämpft, Briefe an Senatoren und Bezirkspolitiker geschrieben und die Presse für das Thema sensibilisiert. Am Montag hatte sie sich bereits im Bezirksamt einen ersten Eindruck bei der Auszählung verschafft. “Ich habe es gehofft, aber nicht erwartet”, sagt Magdalena über das Ergebnis. “Jeder, der Hamburg liebt, muss sich über dieses Ergebnis freuen.”

27. August 2014, ndr.de:
Hamburger geben Seilbahn keine Chance

Die Bürger im Bezirk Hamburg-Mitte haben entschieden: Die umstrittene Seilbahn von Hamburg-St. Pauli über die Elbe zu den Musicaltheatern wird nicht gebaut. Nach Angaben des Bezirksamts stimmten knapp zwei Drittel gegen das Projekt.
Ein Viertel hatte abgestimmt

50.081 Bürger hatten ihre Stimme abgegeben. 31.769 (63,4 Prozent) votierten gegen das Projekt, nur 18.312 waren dafür. Insgesamt konnten 203.318 Einwohner bis Sonntag ihre Stimme abgeben, die Wahlbeteiligung lag bei rund 25 Prozent. Der Bürgerentscheid sei für den Senat rechtlich bindend, das habe dieser für die Seilbahn so festgelegt, sagte Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD).

35 Millionen Euro sollten investiert werden

Die Pläne sahen vor, dass die Seilbahn in 80 Metern Höhe vom Heiligengeistfeld in St. Pauli über die Elbe nach Steinwerder führt. Dort befinden sich gleich zwei Musical-Theater: „Der König der Löwen“ läuft seit 2001, das neue Theater wird im Herbst 2014 mit „Das Wunder von Bern“ eröffnet. Die Seilbahn sollte die Shuttle-Fähren der HADAG für die Musicalbesucher ergänzen. Das Unternehmen Stage Entertainment wollte mit dem österreichischen Seilbahnbauer Doppelmayr 35 Millionen Euro in die 1,5 Kilometer lange Strecke investieren.

Befürworter des Projektes äußerten sich nach dem Scheitern enttäuscht. „Wir haben immer an die Seilbahn über die Elbe geglaubt“, sagte Herlind Gundelach, Initiatorin des Bürgerbegehrens. Thomas Magold von der Initiative „Ja zur Seilbahn“ sprach von einer „verpassten Chance, ein innovatives Verkehrsmittel völlig ohne Kosten oder Risiko für die Stadt zu erproben.“ Die Firmen Doppelmayr und Stage Entertainment teilten gemeinsam mit: „Selbstverständlich akzeptieren und achten wir den Bürgerwillen.“ Auch die Handelskammer bedauerte das Votum: Von einer Seilbahn hätten neben den Gästen in der Stadt auch die Hamburger profitiert.

Feier auf dem Spielbudenplatz
Die Seilbahn-Gegner reagierten mit einer Feier unter dem Motto „Sieg David gegen Goliath“ auf dem Spielbudenplatz. Sie seien überwältigt von der deutlichen Mehrheit, sagte Sabrina Hirche, eine der Vertreterinnen der Gegner-Initiativen. Die Initiative „Keine Seilbahn über unseren Köpfen“ teilte mit: „Wir sind erleichtert, dass Hamburg ein Fahrgeschäft erspart geblieben ist, das den Menschen in der Stadt keinen echten Nutzen gebracht hätte.“ Initiatorin Theresa Kajob sprach von einem „Sieg der Demokratie“.

Die Kritiker hatten in dem Projekt keine Bereicherung für die Hansestadt, sondern eher für die Konzerne gesehen. Eine Initiative befürchtete Nachteile für die Anwohner durch erhöhte Touristenströme und zusätzlichen Verkehr. Außerdem hätte die Bahn mit ihren 92 und 129 Meter hohen Stützen ihrer Meinung nach das Stadtbild zerstört.
„Entscheidung für die Einzigartigkeit“

In der Bezirksversammlung hatte sich im Juni ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit gegen die Pläne ausgesprochen. Angesichts der hohen Beteiligung sei das Ergebnis repräsentativ für Hamburg und spiegele das Votum der Versammlung wider, sagte Bezirkschef Grote. „Das ist keine Entscheidung für den Tourismus, sondern für die Einzigartigkeit der Stadt“ mit der „unverwechselbaren Silhouette“ aus Michel, Elbphilharmonie und Landungsbrücken.

Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich zufrieden: „Ich finde sehr gut, dass die Bürger entschieden haben, weil das immer für eine Legitimation der Entscheidung sorgt“, sagte er in einem Gespräch mit NDR 90,3.

27. August 2014, Hamburger Abendblatt:
Bewohner sprechen sich offenbar gegen Seilbahn aus

Die umstrittene Seilbahn über die Elbe wird nicht gebaut. Die Menschen in Mitte stimmen gegen das Projekt, wie der St.-Pauli-Blog aus sicherer Quelle erfahren hat.

Hamburg. 55.000 Bewohner des Bezirks Hamburg-Mitte hatten abgestimmt. Jetzt steht offenbar fest: Die umstrittene Seilbahn über die Elbe wird nicht gebaut. Nach Informationen des St.-Pauli-Blogs des Hamburger Abendblatts waren am Dienstagabend bereits so viele Nein-Stimmen ausgezählt worden, dass die nötige einfache Mehrheit der Gegner bei diesem Bürgerentscheid erreicht sein soll.

Die Seilbahn-Befürworter reagierten enttäuscht. Joachim Stratenschulte von der Initiative „Ja zur Seilbahn“ sagte: „Wenn es stimmt, dass die Zahl der Nein-Stimmen weit höher ist als die der Ja-Stimmen, wonach es im Moment aussieht, dann ist unser Projekt leider gescheitert. Wir sind traurig, aber wir akzeptieren selbstverständlich das Ergebnis dieses Bürgerentscheids. Wir glauben, dass Hamburg damit eine Chance verpasst.“ Sabrina Hirche, Initiatorin der Initiative „Keine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe“, sagte am Abend: „Es ist eine deutliche Tendenz zu erkennen, die mir Freudentränen auf die Wangen treibt.“ Das vorläufige Endergebnis des Bürgerentscheids wird im Laufe des Mittwochs erwartet.

Die Seilbahn sollte St. Pauli mit den Musicaltheatern auf Steinwerder verbinden. Der Musicalproduzent Stage Entertainment und der Seilbahn-Hersteller Doppelmayr wollten die Baukosten in Höhe von 35 Millionen Euro alleine tragen.

27. August 2014, stern.de:
Wenn die Gondeln Trauer tragen

Der Seilbahn-Bürgerentscheid in Hamburg ist gescheitert. Das Ergebnis zeigt, dass die Bürgermeinung doch nicht käuflich ist – oder lag es nur an der schwachen Wahlbeteiligung?

Jetzt ist es offiziell: Der Hamburger Bürgerentscheid für eine Seilbahn ist gescheitert. Nur gut 36 Prozent wollten die Bahn, das reicht nicht. Die Initiatoren hatten noch vor wenigen Tagen Unterstützer und Medienvertreter für heute auf das Segelschiff „Rickmer Rickmers“ im Hamburger Hafen eingeladen. Wohl um den erhofften Sieg zu feiern. Heute Vormittag wurde die Veranstaltung abgesagt. Es ist vorbei.

„Als ich am Dienstagnachmittag erfuhr, dass sich eine Tendenz zum Nein abzeichnet, konnte ich es kaum glauben“, sagt Sabrina Hirche, die sich mit einer Initiative gegen die Seilbahn eingesetzt hatte. Und tatsächlich ist es kaum zu glauben. Denn dass Bürger selbst darüber entscheiden können, ob sie ein Geschenk aus Konzernhand haben möchten, ist schon selten. Dass sie dieses Geschenk nicht annehmen, ist unfassbar – aber richtig.
Ausgegondelt

Denn nicht alles, was nichts kostet, ist gut. In diesem Fall war das Musicalunternehmen Stage Entertainment gemeinsam mit einem österreichischen Seilbahnbauer angetreten, um eine Gondelbahn über die Elbe zu schicken. Kostenpunkt: 35 Millionen Euro, finanziert vom Unternehmen. Steuergeld sollte nicht eingesetzt werden. Auf dem anderen Elbufer werden bald zwei Musicalspielorte des Unternehmens stehen – mit der Seilbahn sollten künftig die Besucher den Fluss überqueren. Und darüber hinaus hoffte das Unternehmen auch, dass Touristen und Hamburger fleißig mit der Gondel den in Hamburg viel beschworenen Sprung über die Elbe wagen würden.

Dazu wird es nicht kommen. Von den 200.000 Stimmberechtigten gaben 55.000 ihre Stimme ab. Das Ergebnis: Über 63 Prozent der Menschen wollen keine Seilbahn. Also werden auch künftig die Musical-Fans auf eine Barkasse steigen müssen. Dass die Gondelbahn abgeschmettert wird, war allerdings kein Selbstgänger. „Ich gebe zu, dass ich befürchtet habe, dass die Seilbahn-Befürworter mit den Falschaussagen auf den Plakaten und somit falschen Versprechungen manch einen würden täuschen können“, sagt Hirche. Denn das PR-Paket, das die Initiatoren für den Pro-Seilbahn-Bürgerentscheid geschnürt hatten, war gewaltig: Veranstaltungen, Flyer, Plakate, prominente Werbeträger – und bündelweise Freikarten wurden aufgefahren. „Wir hatten keine Agentur im Rücken, die Motive entwirft, strategisch einen Wahlkampf plant und die Stadt mit Plakaten zupflastert“, sagt Hirche. „Aber wir hatten offenbar die besseren Argumente.“
Bürgerwille entscheidet

Das Unternehmen hatte die große Werbetrommel gerührt, denn so verlockend die Seilbahn für manch einen hätte sein können: für Stage Entertainment ging es ums Geschäft. Bislang muss das Unternehmen für die Barkassenfahrt der Besucher zahlen. Warum diesen Service nicht selbst anbieten und damit Geld verdienen? Und so hätte aus einem Bürgerentscheid ein Freifahrtschein für Geschäftsmodelle werden können, ein Profit-Hebel mit bürgernahem Anstrich.

Hamburg will es anders, die Bürger lassen sich nicht kaufen oder mit Freikarten bestechen – oder? Es mag auch an der schwachen Wahlbeteiligung gelegen haben, dass die Seilbahn nicht kommt. Allein im Stadtteil St. Pauli leben rund 24.000 Menschen, sie wären von der Bahn am stärksten betroffen gewesen. Ob die Bewohner von entfernteren Stadtteilen, wie Finkenwerder oder in Wilhelmsburg, sich mit einer Seilbahn auseinander gesetzt haben, ist unklar – das geben die veröffentlichten Zahlen nicht wieder. Das Unternehmen Stage Entertainment gibt sich zerknirscht: „Wir akzeptieren und achten den Bürgerwillen“, heißt es in einer Mitteilung.
Missbrauch der Demokratie

Sicher ist: Hamburg wird nicht zum Präzedenzfall für das Durchdrücken von Konzerninteressen durch Bürgerentscheide. „Man darf demokratische Instrumente nicht missbrauchen. Ich hoffe, dass es in Zukunft nicht mehr dazu kommt, dass auf Kommunalebene über eine so weitreichende Entscheidung abgestimmt werden darf, die allein aus dem Interesse eines Konzerns angeschoben wurde“, sagt Hirche. Bleibt am Ende die Hoffnung, dass es auch andernorts nicht dazu kommt.

28. August 2014, Hamburger Morgenpost:
Hier jubeln die Seilbahn-Gegner

Die Hamburger fahren weiterhin mit einer Fähre über die Elbe – die Seilbahn von St. Pauli nach Steinwerder kommt nicht. Rund zwei Drittel haben beim Bürgerentscheid gegen die Gondeln gestimmt.

Vor drei Jahren haben der Musical-Konzern Stage Entertainment und der Seilbahn-Hersteller Doppelmayr ihre Idee erstmals vorgestellt. Nun sind die Pläne vom Tisch. 63,4 Prozent stimmten gegen die Seilbahn, nur 36,6 Prozent dafür. Knapp 204000 Bürger im Bezirk Mitte waren abstimmungsberechtigt. Von diesem Recht machten 50081 Bürger Gebrauch. Die Wahlbeteiligung betrug 24,8 Prozent – für einen Bürgerentscheid ein guter Wert.

Lange Gesichter bei den Befürwortern. „Die Bürger haben sich von ihrer Angst vor Veränderungen leiten lassen. Hamburg hat vorerst die große Chance verpasst, ein innovatives Verkehrsmittel völlig ohne Kosten für die Stadt zu erproben“, sagte Thomas Magold, Mit-Initiator der Bürgerinitiative für die Seilbahn.

Die Projektverantwortlichen von Doppelmayr und Stage Entertainment teilten mit: „Seit wir die Idee einer Seilbahn der Öffentlichkeit vorstellten, haben wir gehofft, die Mehrheit der Hamburger für dieses Projekt zu begeistern. Das haben wir leider nicht erreicht.“ Enttäuschung auch bei der Handelskammer. „Von einer Seilbahn hätten neben unseren Gästen sämtliche Hamburger profitiert“, so Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz.

Jubel hingegen bei den Seilbahn-Gegnern. „Das Ergebnis zeigt, dass wir als einfache Bürger ohne viel Geld im Hintergrund gegen Konzerne und Lobby-Verbände gewinnen können – das ist ein Sieg für die Demokratie“, so Theresa Jakob, Initiatorin der Initiative „Keine Seilbahn über unseren Köpfen“.

Auch Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) war zufrieden. „Die Entscheidung ist kein Votum gegen den Tourismus, sondern für den Erhalt der Einzigartigkeit der Stadt mit ihrer unverwechselbaren Silhouette“, sagte er.

Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist rechtlich bindend. Eine einfache Mehrheit hätte gereicht.

Seilbahn-Gegner
Zur Feier des Tages ein Glas Sekt. Magdalena Eberhard, Karin Borkwardt, Inge Polomski und Birgit Kiupel freuen sich über das klare Votum. (Foto: st.pauli-news.de)
Seilbahn-Gegner auf dem Spielbudenplatz
Theresa Jakob, Arne Platzbecker (SPD), Andreas Gerhold (Piraten), Carl-Philip Schöpe und Sabrina Hirche feiern den Sieg gegen die Seilbahn
sabrina hirche
Unbändige Freude und tiefe Augenringe – die letzten Wochen gingen nicht spurlos an mir vorbei. Umso größer die Freude darüber, dass sich Engagement eben doch lohnt!

 

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