Wie lernt man eigentlich Homeoffice?
Seit zwei Wochen habe ich einen neuen Arbeitsplatz. Unschlagbarer Vorteil ist mein neuer Arbeitsweg und dass es nicht mehr so sehr ins Gewicht fällt, wenn ich mein am Abend zuvor vorbereitetes Essen auf der Anrichte vergessen habe. Und sonst? Über die Vor- und Vorurteile vom zu Hause arbeiten.
Seitdem ich 14 Jahre alt bin arbeite ich. Damals waren es Jobs wie Zeitungen und Prospekte austragen, dann hinterm Tresen im Eiscafé (eine der wenigen Gastroerfahrungen; zu Recht!), ich habe in der Werkstatt und im Sonnenstudio geputzt, Brötchen und Kuchen verkauft und mit Eintritt ins Studium eigentlich nur noch im Büro gearbeitet – zu Hause hat sich dieses dabei nie befunden.
Großer Vorteil an der Arbeit von zu Hause ist, dass ich mein Zuhause wirklich, wirklich gerne mag und in den letzten Monaten sehr wenig gesehen habe. Aber ich mag mein Zuhause als Zuhause. Ich habe bewusst kein Arbeitszimmer mehr, sondern ein Lese- und Gästezimmer, in dem sich kein Schreibtisch befindet. Dafür besitze ich einen großen und langen Esstisch im Wohnzimmer. Das zeigt sehr deutlich, wo meine Leidenschaften liegen. Ich habe einfach gerne Gäste, Menschen bei mir, bin – auch wer mich nur oberflächlich kennt weiß dies – einfach ein geselliger Mensch. Nun also Homeoffice, arbeiten von zu Hause aus. Allein.
Meinen Arzt konsultierte ich direkt nach meiner Rückkehr, wie am besten mit der Situation umzugehen wäre (aus Spanien kannte ich ja nur das ganz oder gar nicht, in der letzten Woche nur letzteres). Er fragte ob es möglich sei, von zu Hause aus zu arbeiten und wies streng auf das social distancing hin. Ja, mein Arbeitgeber erlaubte mir dies. Gut. Gut? Es war auf jeden Fall auch für die Kolleginnen aus den anderen Bezirken und natürlich mich selbst eine recht neue Erfahrung. Komplettes arbeiten aus den eigenen vier Wänden – challenge excepted.
Zunächst bedeutete es, sich Gedanken darüber zu machen, was man denn alles aus dem Büro benötigte, um weiter ganz normal arbeiten zu können. Das Telefon umzustellen war rasch erledigt. Laptop mitnehmen, Unterlagen, Drucker (!) und, und, und. In der ersten Woche fuhr (Fahrrad) oder lief (Morgenjoggingrunde) ich noch fast jeden anbrechenden Tag um 7 Uhr ins Büro, um ohne Menschen zu treffen Dinge zu holen oder vor Ort zu erledigen. Um es vorweg zu nehmen: einen Esstisch, der seinen Namen verdient, habe ich seither nicht mehr, dafür aber einen schönen Blick in meinen Hinterhof.
Seit zwei Wochen arbeite ich also im Wohnzimmer. Hartnäckige Gerüchte: super, da kann man ja den ganzen Tag im Jogger rumlaufen, kann anfangen, wann man will und nebenbei noch den Haushalt schmeißen. Nein. Gar nichts davon. Mein Tag hat sich zur Arbeit vor Ort im Büro kaum verändert. Wer mich kennt, weiß, dass ich am liebsten in den frühen Morgenstunden laufen gehe – wer hätte gedacht, dass das mal das Vernünftigste sein würde? Ok, ich habe eine weitere Leidenschaft in meinem Alltag ausgebaut, doch dazu ein anderes Mal vielleicht mehr. Die Struktur ist wichtig und ja, ich kleide mich ordentlich wie immer (nicht nur für etwaige Videocalls obenrum). Ich fange tatsächlich früher an (die Sache mit dem Arbeitsweg), allerdings vergesse ich oft zu essen, was inzwischen dazu geführt hat, dass meine geliebte Mama dazu übergegangen ist, mich gerne um die Mittagszeit anzurufen um zu kontrollieren, ob ich auch eine Pause einlege. Mein Schrittzähler verdient nicht mehr seinen Namen, nun gut. Irgendwas ist ja immer.
Mitarbeiterinnenbesprechungen haben wir nun häufiger, verrückt, was plötzlich alles möglich ist. Ja, durch frühere Fernbeziehungen war Videotelefonie schon mal ein Thema gewesen, aber wer hätte gedacht, dass man in der Zeit des von zu Hause arbeiten geradezu von einer solchen in die nächste stolpern würde, sich in manchen von vorherein entschuldigen muss, dass man nur 1 oder 1,5 Stunden Zeit habe, weil dann die nächste folge. Und ich spüre förmlich, wie gerade ein Lächeln über die Gesichter meiner frei beruflich tätigen, überwiegend von zu Hause aus arbeitenden Freundinnen geht, die wohl diese Zeilen Kopf schüttelnd lesen und dabei denken: kleine, naive Sabrina. Aber: Hey! Ich hab‘ das nie gelernt! Das ist wie die (!!) (finale!) Abiklausur schreiben, jahrelang wirst Du nur mit höchstens dreistündigen Klausuren behelligt und im Abi dann plötzlich: BÄM! Fünf Stunden, Du machst das schon. Und was soll ich sagen: beim Abi hatte man nur eine Chance, friss oder stirb. Da ist dieser Homeoffice-Lernprozess doch wesentlich schneller von statten gegangen und, unter uns gesagt, langfristig wahrscheinlich auch von mehr Erfolg gekrönt. Ein Manko: die Kolleginnen und vor allem auch die Jungs aus meiner Büroetage, der zwischenmenschliche Kontakt – das fehlt. Aber auch das ist eine ganz andere Geschichte, zu der zu einem anderen Zeitpunkt noch ein paar Worte geschrieben seien.
Bleibt (wenn es geht) schön zu Hause und bleibt gesund!
P.S.: kann man das eigentlich in sein CV als hard skill mit aufnehmen? Frage für einen Freund.
4 Kommentare
Ruth
Du schreibst so klug, bin sehr Stolz auf dich ❤❤❤
LaBoliviana
Danke für Deine liebe Unterstützung <3
Jules
Ein Bild von meinem Platz kann ich hier gerade nicht teilen…. aber dich bestärken weiter zu schreiben – ich bin nicht nur gespannt auf „ Ok, ich habe eine weitere Leidenschaft in meinem Alltag ausgebaut, doch dazu ein anderes Mal vielleicht mehr“ diesen Zeitpunkt….
LaBoliviana
Danke, mein Liebe. Ich schaue mal, wie es so läuft. Und ja: sei gespannt 😉